Mein neuer alter Freund. Testergebnis Ektachrome 100D
Wunderschön ist sie, die neue gelbe Schachtel. Sie macht echtes Retro-Kodak-Gefühl und lässt das Herz des eingefleischten (Wittner) 100D-Fans erwartungsvoll hüpfen.
Also flugs die gerade erhaltene Test-Kassette (B-Spur des DS8-Rohlings) ausgepackt und nacheinander in folgenden Kameras getestet:
- 310xl
- 310xl (andereKamera,gleichesModell)
- Nizo 4080
- Agfa Movexoom 10
- Nizo 801 Macro
- Nikon R10
- Leicina Super RT1
Rutschgefahr
Die erste Erkenntnis wird schon während des Filmens klar: Super-8-Kameras brauchen Wartung... oder die neue geht doch noch geringfügig zu schwer. Die erste Canon 310xl verschluckt sich nach ein paar Metern und fängt an zu spotzen, einen testweise quasi- parallel durchgezogenen Wittnerchrome 100D transportierte sie ohne Probleme. In der Nizo 4080 transportiert die neue Kassette überhaupt nicht, die streikte aber auch schon des öfteren mit dem 64T und Wittners 100D... die Rutschkupplung hat wohl nicht mehr genügend Friktion. In allen anderen Kameras lief die neue aber anstandslos durch, selbst (testweise in der zweiten 310xl) mit nicht mehr wirklich frischen Batterien.
Sehschwäche
Noch eine zweite Erkenntnis zeichnet sich schon während des Filmens ab: Meine (beide eher selten benutzten) Agfa Movexoom 10 und Leicina Super RT1 haben offenbar ernsthaft dejustierte Belichtungsmesser. Beide belichten die neue Kasette um ca. zwei bis drei Blenden zu knapp. Ob das am Empfindlichkeitskerbenabtaster der Kamera, einer grenzwertig passgenauen Kerbe an der Kassette oder einfach am Zahn der Zeit liegt, bleibt noch gegenzutesten – ich gehe aber davon aus, dass es an meinen Kameras liegt. Einen Kodachrome K40 belichteten sie vor drei Jahren noch korrekt bis knapp, es scheint also vor allem die Linearität (und damit der Messbereich für empfindlichere Filme) eingebrochen zu sein. Hier hilft nur der Service.
Die Canon 310xl belichtet den neuen übrigens absolut perfekt. Die Einzelbilder sind perfekt durchgezeichnet und haben selbst in schwierigen, dynamischen Lichtsituationen saftig akzentuierte Schatten und fein strukturierte Lichter. Es ist somit davon auszugehen, dass der 100D in keiner Kamera Probleme machen wird, die 160 ASA-Kerben erkennt – und welche tut das nicht? Fürchtet man unterbelichtete Bilder, drückt (bzw. zieht) man einfach die Gegenlichttaste und belichtet das Material nicht eine halbe Blende unter, sondern über. Beides verträgt der 100D ohne Murren und sichtbare Einbußen.
Selbst eine schwierige Mischlichsituation meistert der E100D. Das (unbearbeitete) Bild ist von den hellen Fenstern bis in die Schatten sauber durchgezeichnet.
Die Nizo 801M und die Nikon R10 mit ihren feinfühligeren ASA-Abtastern belichten das neue Material natürlich gewohnt perfekt, ihre Fähigkeit hierzu haben sie bei mir schon oft an Wittners Vorgängermaterial bewiesen.
Barrierefreier Farbraum
Das beeindruckendste am neuen Ektachrome 100D ist, wie auch schon bei Wittners Vorgänger, sein unermesslicher Farbraum bei enormer Farbtreue. Anders als der Velvia "kann er nicht nur bunt" und übersättigt alles, sondern stellt ein so erhebliches Farbspektrum natürlich dar, dass die natürliche Buntheit des Gefilmten absolut authentisch wiedergegeben wird. Der Farbraum ist so beachtlich, dass ich einige besonders vielfarbige Einzelbilder mit meiner frisch farbkalibrierten EOS 5Dmk2 und Apo-Repro-Objektiv selbst bei 5500°K Licht und ISO 200 nicht reproduzieren kann, ohne in zumindest einem Kanal ein Clippen zu bewirken. Ihr Sensor erfasst bei ISO 200 knapp 13 Blenden Dynamik, das entspricht einem Kontrastumfang von ca. 1:8000, und selbst das wird vom neuen Kodak- Material teilweise überboten.
Der Rot-Farbraum des Ektachrome 100D ist so groß, daß selbst eine hochwertige digitale Spiegelreflexkamera ihn beschneiden muss... will sie nicht Details in grün und blau opfern. Das wird für Film- Abtastdienste noch eine Herausforderung. Eine echte Projektion des Originals kennt solche Probleme natürlich nicht.
Dieser riesige Farbraum bewirkt eine fantastische Lebendigkeit und Natürlichkeit des Filmbildes, wie ein K40 sie nie erreicht hat. Beim projizieren mit einer hellen Lampe und einer guten Leinwand kommt echtes Kinogefühl auf. Die Bilder atmen – gänzlich ohne Nachbearbeitung – eine Präsenz und Authentizität, die kaum ein digitales Medium dieser Zeit zu speichern oder wiederzugeben wiederzugeben vermag.
Der vermeintliche Nachteil dieser Stärke betrifft nur die Telecine: Selbst moderne HD- Abtaster scheinen mit der enormen Dynamik des Materials noch nicht gut zurecht zu kommen. Gegenüber dem projizierten Original sind die von Screenshot aus Berlin erhaltenen MPEG4-Dateien zwar in 720p HD, aber durchweg zu hart, übersättigt und von zugelaufene Schatten und ausgefressenen, hellblau verschleierten Lichtern gekennzeichnet. Es bleibt also sehr zu hoffen, dass die Abtastdienste ihre Geräte bald fit für das neue Material machen und der Dynamik Herr werden. Ein Mehrfachscanverfahren zur Dynamikkompression könnte hier ein vielversprechender Ansatz werden.
Der HD-Abtaster (rechts) war hier offenbar überfordert: Die Hosenbeine saufen vollständig ab, die Lichter sind blau belegt. Die DSLR-Reproduktion links zeigt, was wirklich in den Filmbildern zu sehen ist.
Aufs Korn genommen
Auch beim Korn überrascht der neue Standardfilm nur den, der die Vorgänger von Wittner oder Pro8mm noch nicht kannte: Es ist beispielhaft und erinnert manchmal fast an 16mm Material. Der Ektachrome 64T hatte eine blauempfindliche Schicht, die für seine Kunstlichtabstimmung auf fast 400 ASA sensibilisiert war. Deren Korn trat oft hässlich hervor und konnte auch mit raffinierten chemischen Tricks nur in Maßen besänftigt werden.
Das Korn des Neuen hingegen ist gleichmässig, sehr fein, schön strukturiert und sehr viel mehr in der Luminanz als in den Farben sichtbar. So deutlich wie in der Makroaufnahme ist es in der Projektion niemals sichtbar, durch den schnellen Bildwechsel und seine chaotische Struktur wird die Struktur unerkennbar und unterstreicht eher noch die Lebendigkeit des Films.
Beim Scharfrichter
Das enorme Auflösungsvermögen und die knackige Schärfe des neuen Materials kommen erst zur Geltung, wenn man ein ausgewachsenes Objektiv (wie das der Nikon oder Nizo) auf die "förderliche Blende" bringt, also ca. zwei Stufen abblendet. Hier ist die Schärfeleistung am höchsten. Der Lichtsammler der Canon 310xl ist zwar bemerkenswert lichtstark, aber selbst abgeblendet nicht sonderlich scharf – dafür wiegt er aber auch nur ein Drittel so viel wie seine großen Brüder. Der E100D zeichnet so fein, dass selbst das Projektionsobjektiv einen sichtbaren Unterscheid macht. Das 1:1,1er Schneider Kreuznach Xenovaron MC meines Bauer t610 liefert – exakt fokussiert – eine klar höhere Auflösung als sein alter Bruder mit 1:1,3 Lichtstärke und Kunststofffassung aus dem Noris 100. Ohne Siemensstern und Fadenzähler bemüht zu haben: Die subjektiv wahrgenommene Schärfeleistung des Neuen ist selbst im direkten Vergleich mit K40-Material ungewohnt hoch. Auch hier bin ich wieder sehr an 16mm Ergebnisse erinnert, wenn auch natürlich nicht unbedingt an die eines K25.
[Selbst die feinen Strickleiterseile in 20m Entfernung sind scharf zu erkennen.]
Fazit
Ektachrome 100D ist durch die Konfektionierung bei Kodak nicht nur bezahlbarer geworden, er ist auch in nahezu allen Disziplinen besser als der E64T, sein betagter Vorgänger aus dem 35mm-Lager für die Fotostudios der 90er. Kodak hat hier – etwas verspätet – einen neuen Standardfilm auf den Markt gebracht, der diese Bezeichnung auch verdient. Die Tungstensensibilisierung und die verhältnismäßig niedrige Empfindlichkeit des Kodachrome K40 als Eigenschaften zu opfern führt im Endeffekt zu einem für uns Verbraucher wesentlich attraktiveren Gesamtergebnis, als genau diesen beiden "Vorzügen" auf Gedeih und Verderb nachzueifern und ein mäßiges Gesamtergebnis zu liefern. Mit dem E64T bin ich nie wirklich glücklich geworden, er blieb immer eine Krücke. Der Velvia 50D bleibt ob seiner Sättigung ein Spezialist für besondere Bildsprache. Der 100D aber unterstreicht und fördert vorzüglich all das, was Schmalfilm für mich ausmacht: Eine hohe Natürlichkeit, einen ungemein ästhetischen Analoglook, hohe Universalität, große Gutmütigkeit bei Belichtung und Farbtemperaturen und Bezahlbarkeit.
Ich kann nur jedem raten, schnell ein 10er Pack zu ordern, eine Kassette als Testfilm für die Lieblingskamera zu opfern und sich dann endlich wieder ganz dem Filmen hingeben zu können, ohne Angst vor einem unerwarteten Ergebnis haben zu müssen. So macht Filmen wieder Spaß.
8 Kommentare
Meine Ergebnisse mit die E100D sind fast gleich wie Ihre:
Nizo 801 M: gute Belichtung und Farbtreue;
Agfa Movexoom 10: Knapp belichtet bis zu 2 Blenden, trotz die “+ - Einstellung” = die Einstellung für ungf. eine Blende überbelichtung; dabei empfindlich für die Beëinflussung von die Luft und leuchtende Wolken;
Bolex 155: genaue Belichtung, schöne Farben;
Canon 310 XL (mit ND 4 Filter an das Objektiv und die “Plus 1 Einstellung” eingestellt: Gute Belichtung, aber die Farben haben einen leichte Gelbschicht.
In den Haupttext oben: ist ein ND-Filter gebraucht an das Canon 310 XL Objektiv?
MfrGrüssen,
Paul
Hallo Paul,
Nein, ich verwende den Film in der 310xl ohne ND-Filter, denn sie erkennt den 100 ASA FIlm korrekt. An der muss man nichts korrigieren, auch die “+1″ muss man nicht einstellen.
Liebe Grüße,
F
Sehr anschaulich und aufschlußreich! Macht richtig Lust auf den neuen Ektachrome.
Wie haben Sie das Knopfzellen-Problem bei der Nizo 801 gelöst? Führen die neuen Knopfzellen V625U nicht zu leichten Überbelichtungen?
Viele Grüße,
Volker
Zu Rutschgefahr: Von einem Kunden 2 defekte E100D Filme zurückbekommen, die sich weder in seinen noch meinen Super 8 Kameras transportieren lassen, hier hakt es also vermutlich doch auf Seiten der Filmkassettenproduktion nicht auf Seiten der Kameras.
Agfa Movexoom MOS Belichtung ließ mir keine Ruhe, diese Kamera hat keinen stufenlosen Fühler für ASA oben, sodern nur einen Stift für Position T160/D100 d.h. unser E100D wird zunächst mal als T160 erkannt. Damit jetzt richtige Empfindlichkeit kommt, ist unten ein Fühler, der bei Tungsten Film in eine Kerbe greift und ASA 160 einstellt, bei Daylight Film wie E100D (der keine Kerbe unten hat) weggedrückt wird und ASA 100 einstellen sollte.
Soweit und schön die Theorie: Stellen wir allerdings bei der Agfa Movexoom über der Optik den Filterschieber auf das “Glühlampensymbol” (Kunstlicht) - so wie es zum E100D immer gelehrt wird, namentlich von Klugwissern wie mir :-) - dann haben wir bei der Movexoom MOS das Problem, dass der Tageslichtfilm-Fühler im Filmfach mechanisch deaktiviert wird (er schlackert dann ohne fühlbare Schaltwirkung locker herum).
Gedacht habe ich: “Toll, da beißt sich die Katze in der Schwanz - Ich kann den Tageslichtfühler nicht aktivieren, weil ich den Rotfilter ausschwenke, d.h. ich habe entweder falsch belichteten Film mit korrekter Farbe oder richtig belichteten E100D mit Rotstich.” Optimal wäre es, wenn der Tageslichtfühler nicht bloß ASA umstellt sondern gleichzeitig den Rotfilter ausschwenkt. UND GENAU DAS TUT ER (bei der Agfa Movexoom MOS), lässt sich mit Stellung “Filter Tageslicht” (Sonnen Symbol), offenem Kassettenfachdeckel und Auslösen testen: Im Filmfenster Bild erst rotstichig, beim Eindrücken des Tageslichfilmfühlers (von Hand, das macht sonst die E100D Kassette) verschwindet der Rotstich, es wird also Filter ausgeschwenkt UND Belichtung neu justiert (fragt sich bei letzterem nur, in welche Richtung).
Falls das alles wahnsinnig kompliziert klingt:
1. Filterschieber entgegen aller Erklärungen auf Stellung Sonne (Tageslicht) lassen, der Rotfilter wird durch Einlegen der E100D Kassette trotzdem richtig ausgeschwenkt.
2. In dieser Filterschieber - Position arbeitet der Tageslichtmaterialfühler im Kassetteninnern - die Belichtung müsste auf ASA 100 gehen, das Thema Unterbelichtung müsste gegessen sein.
Viel Spaß beim Probieren.
Nun frage ich mich. Waren die Agfa Ingenieure schlichtweg genial und sahen den E100D voraus oder machen andere Kameras das auch so, dass der Rotfilter von selbst verschwindet, wenn die Kassettenkennung Tageslicht sagt?
Ergänzend zur Vormessage: Die Nizo S800 kann das auch (in Filterknopfstellung Tageslicht den Rotlichfilter trotzdem ausschwenken, wenn eine Tageslichtkassette wie E100D eingelegt wird), also dürften das alle großen Nizos können.
Muss demnach Kodak Spezifikation gewesen sein.
Zu Volker, Nizo 801 Belichtumgsmesser Batterien siehe bitte hier
Muss meinen vorvorigen Kommentar was korrigieren, der Fühler vorn unten tut im Idealfall (nach Spezifikation) nichts weiter als den Wratten 85A Filter ausschwenken. Und das funktioniert bei der Agfa Movexoom MOS nur, wenn Kunstlicht / Tageslicht Schalter auf Tageslicht steht.
Am besten hier erklärt:
http://www.filmshooting.com/scripts/forum/viewtopic.php?f=1&t=21350#p193941
Im Idealfall:
1. Kamera erkennt die 160T / 100D ASA Kerbe.
2. Kunstlicht / Tageslicht Schalter entscheidet nun darüber, ob mit 160 ASA oder 100 ASA belichtet wird, UND NUR DIESER SCHALTER ALLEIN: In Stellung Tageslicht wird mit 100 ASA belichtet und gleichzeitig der (für unseren E100D unerwünschte) Wratten 85A Filter eingeschwenkt.
3. Durch Einlegen der 100D Kassette wird der Filterkerben Fühler eingedrückt und der Wratten 85A Fühler ausgeschwenkt. An der ASA 100 Einstellung ändert sich nichts.
Voila: Wir haben 100 ASA Belichtung und *keinen* Wratten 85A Fühler, das ist das, was der E100D braucht.
Wo Unterbelichtungen auftauchen, dürfte die Kamera fälschlich mit 160 ASA belichten (Dejustage durch “Zahn der Zeit” eher unwahrscheinlich), entweder
- weil von Hand auf “Kunstlicht” gestellt wurde, um den Wratten 85A Filter auszuschwenken, dabei dann ungewollt auch 160 ASA eingeschaltet wurde, oder
- weil die Kamera alles falsch interpretiert und meint, es gäbe nur Tungsten Filme, d.h. entweder gar keinen Filmkerbenfühler hat oder den Filmkerbenfühler wie den Wahlschalter auffasst, d.h. bei Ausschwenken des Wratten Filters gleich auf ASA 160 umstellt.
Jetzt hoffe ich, dass die Movexoom MOS nicht zu dieser Kategorie gehört.
Blick in die technischen Daten der Agfa Movexoom MOS Anleitung bringt Klarheit: Die Kamera interpretiert die Tageslicht Kerbung des E100D als einen früher vertriebenen “Universalfilm” Kodak 160G, der immer filterlos und immer 160 ASA belichtet wurde.
Es ist also logisch, dass diese Kamera unterbelichtet.
Man müsste den elektrischen Kontakt, der die 160ASA Schaltung bewirkt (im günstigsten Fall zu finden am Tageslichtkerbenfühler separat vom Birne / Sonne Schalter), deaktivieren, Blick unter die Haube. Dazu muss ich erstmal ein Werkzeug für die Sicherheitsschrauben des Agfa beschaffen.